25.09.2015 16:36:48
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Abgeordnete streiten über Reform der Erbschaftsteuer
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Reform der Erbschaftsteuer ist bei ersten Beratungen im Bundestag und im Bundesrat auf viel Kritik gestoßen. Im Bundestag stritten Abgeordnete der Großen Koalition untereinander heftig über das Gesetzgebungsvorhaben. Gleichzeitig äußerten einige von ihnen scharfe Kritik an dem Verhalten der Wirtschaft in der Debatte. Die Länder forderten im Bundesrat Nachbesserungen des Gesetzeswerks.
Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) rechtfertigte den umstrittenen Plan und beteuerte gleichzeitig, der Regierung liege das Interesse des Mittelstands sehr am Herzen. "Aus unserer Sicht ist es von zentraler Bedeutung, dass wir die besondere Kultur der Familienunternehmen in Deutschland erhalten", sagte er. Es gehe um 60 Prozent der Arbeitsplätze und über 90 Prozent der Unternehmen. "Deshalb ist es auch ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema, wie wir uns an dieser Stelle positionieren." An den einzelnen Punkten des Entwurfes hielt Schäubles Staatssekretär jedoch fest.
Die Pläne des Finanzministers sehen vor, dass notfalls ein Teil des Privatvermögens der Unternehmer zur Zahlung der Erbschaftsteuer auf Betriebe herangezogen wird. Dafür soll eine Freigrenze von 26 Millionen Euro gelten: Liegt das ererbte Betriebsvermögen darüber, soll das Privatvermögen bis maximal zu seiner Hälfte zur Begleichung der Erbschaftsteuer dienen. Dazu soll zuvor eine Bedürfnisprüfung gemacht werden.
Schäuble kommt Karlsruher Urteil nach
Die Betriebe sollen sogar von einer Freigrenze von 52 Millionen Euro profitieren, wenn "bestimmte qualitative Merkmale in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorliegen" - gemeint sind damit Ausschüttungs-, Stimmrechts- und Veräußerungsbeschränkungen.
Mit den Plänen will Schäuble einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachkommen. Die Karlsruher Richter hatten die bisherige Regelung zur Erbschaftsteuer im Dezember 2014 verworfen und dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2016 für die Neuregelung gesetzt.
Kleinunternehmen sollen allerdings auch nach den neuen Plänen von der Steuer verschont werden, wenn das Unternehmen für eine Zeit weitergeführt wird und Arbeitsplätze erhalten werden. Erben von Betrieben mit bis zu drei Beschäftigten müssen keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie das Unternehmen sieben Jahre fortführen. Solche mit bis zu 15 Mitarbeitern sollen mit gestaffelten Bedingungen in den Genuss möglicher Vergünstigungen kommen.
Union und SPD nicht auf einer Linie
Die Wirtschaft kritisiert dies aber ebenso wie die geplante Einbeziehung des Privatvermögens. Unternehmensverbände fordern, die Zahl der Beschäftigten bei der Nichtaufgriffsgrenze anzuheben, und beklagen, die Einbeziehung des Privatvermögens führe zu einer doppelten Belastung dieses Vermögens der Erben. Um Schäubles Pläne tobt aber nicht nur ein Streit mit der Wirtschaft, sondern auch innerhalb der Regierungskoalition. Sogar im Kabinett selbst war die Reform lange umstritten.
SPD-Finanzsprecher Lothar Binding machte bei der Bundestagssitzung am Freitag kein Hehl daraus, dass er Beschwerden aus Reihen der Union und der Wirtschaft für absurd hält. Ihn erschrecke "die simulierte Panik vieler Unternehmer". Es handele sich um eine "lächerliche Steuer". Dennoch sei er "immer noch optimistisch, dass wir zu einem guten Kompromiss finden."
Die finanzpolitische Sprecherin der Union, Antje Tillmann (CDU), antwortete darauf mit Kritik an Binding, sie griff aber auch Mittelstandsverbände scharf an, die die Politiker beschimpften. "Der Ton ist in einem Maße unangemessen, dass ich darüber sehr verärgert bin", sagte sie. Der Eindruck, der erweckt werde, dass Unternehmenserben nicht besteuert würden, sei "doch völlig irre".
Länderkammer will Klärung verfassungsrechtlicher Fragen
Der Bundesrat betonte, die Regelungen des Gesetzentwurfes würden aus Sicht der Länderkammer verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, vor allem, was die vorgesehene Verschonung "bei sehr hohen vererbten Unternehmensvermögen ohne Durchführung einer entsprechenden Bedürfnisprüfung" angehe.
Die Länder forderten von der Regierung deshalb, "im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Klärung der offenen verfassungsrechtlichen Fragen herbeizuführen". Die Neuregelungen müssten im Ergebnis das Steueraufkommen der Länderhaushalte sichern, betonte der Bundesrat auch.
Schäuble stehe bei seinem Entwurf seitens der Lobbyisten "offenbar unter dem Druck, aus verfassungswidrigen Ausnahmeregelungen noch verfassungswidrigere Ausnahmeregelungen zu machen", sagte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) am Freitag in der Länderkammer. "Diesen Bestrebungen darf der Bundesrat nicht die Hand reichen."
Unternehmer verlangen Nachbesserungen
Die Wirtschaft erneuerte aber aus Anlass der Debatte ihre Vorbehalte und mahnte Änderungen an. "Der Gesetzentwurf ist eine Farce für viele Familienunternehmen", erklärte Familienunternehmer-Präsident Lutz Goebel. Union und SPD seien Familienunternehmern in kaum einem Punkt entgegen gekommen. "Das ist ein Mythos, mit dem aufgeräumt werden muss", forderte Goebel.
Der Wirtschaftsrat der CDU verlangte, die Reformpläne mittelstandsfreundlich nachzubessern. "Es liegt jetzt an den Abgeordneten, dem Familienunternehmertum in Deutschland eine Perspektive für die Zukunft zu geben", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger.
Unions-Finanzsprecherin Tillmann forderte ihrerseits im Bundestag eine abgestimmte Haltung der Bundesländer. "Ich erwarte in den nächsten Wochen einen gemeinsamen Vorschlag der Ministerpräsidenten," sagte sie. Denn derzeit gingen die Meinungen im Bundesrat über diese Steuer "noch weiter auseinander als die Meinungen zwischen Lothar Binding und mir".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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September 25, 2015 10:06 ET (14:06 GMT)
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