09.10.2015 20:27:38
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Aachener Zeitung: Kommentar: Eher Bürde als Würde / Das Nobelkomitee hat Merkel einen Gefallen getan / Amien Idries
Aachen (ots) - Angela Merkel dürfte gestern Vormittag hörbar
aufgeatmet haben: kein Friedensnobelpreis. Glück gehabt! Denn so
renommiert dieser Preis auch ist und so gebauchpinselt sich wohl auch
die Kanzlerin gefühlt hätte, für aktive Politiker ist dieser Preis
eher Bürde als Würde. Vor allem innenpolitisch. Das gilt nicht erst
seit der Verleihung an Barack Obama, die dem frisch gewählten
US-Präsidenten 2009 im Ausland Sympathien zutrug, innerhalb der USA
aber seinen Ruf als machtscheuen Politiker verstärkte. Dies vertiefte
die politischen Gräben in den USA und spielte durchaus eine Rolle bei
der zumindest in der ersten Obama-Legislatur gelähmten US-Politik.
Auch für Merkel hätte der Preis innenpolitische Auswirkungen gehabt.
Dies wohlgemerkt zu einer Zeit, die als die schwierigste ihrer
Kanzlerschaft in die Geschichte eingehen könnte. Merkel hat sich in
der Flüchtlingspolitik positioniert, wird als gutmenschelnde
Landesverräterin beschimpft und kann den amtlichen Stempel
Friedensengel aus Oslo derzeit überhaupt nicht gebrauchen. Der hätte
nur die Angriffsfläche für ihre politischen Gegner vergrößert, zu
denen man inzwischen auch den CSU-Chef Horst Seehofer zählen muss.
Hinzu käme, dass Diskussionen über die Frage, ob ihr der Preis
überhaupt zusteht, die Bewältigung der anstehenden Probleme erschwert
hätte. "Ist diese Politik einer Friedensnobelpreisträgerin würdig?",
hätte als Frage über jede ihrer Entscheidungen geschwebt. Realpolitik
und die Ideale des Nobelpreises vertragen sich eben häufig nicht.
Auch diese Erkenntnis hat der Fall Obama gebracht, der aus
kontinentaleuropäischer Sicht allzu sehr idealisiert wurde, und
dessen Bomben jüngst auf ein Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in
Kundus niedergingen. Da warf der Friedensnobelpreisträger von 2009
Bomben auf den von 1999, eben jene Ärzteorganisation. Das
Nobelkomitee hat aber nicht nur der Kanzlerin einen Gefallen getan,
sondern auch sich selbst. Bislang ging fast jede Verleihung an einen
Berufspolitiker derart geräuschvoll über die Bühne, dass die Idee des
Preises Schaden erlitten hat. Anstatt also mit einem Paukenschlag
einen der Großen der Weltpolitik zu ehren, nimmt das Komitee mit dem
Quartett für den nationalen Dialog aus Tunesien
zivilgesellschaftliches Engagement in den Blick. Es erinnert in
Zeiten der gescheiterten Staaten von Libyen bis Syrien daran, dass
der Arabische Frühling nicht überall zum Winter geworden ist. Ein
gutes Zeichen, dass Hoffnung nicht nur nach Tunis, sondern auch in
andere Teile der arabischen Welt sendet. Ein Zeichen aber auch, dass
als Auftrag an die Menschheit verstanden werden kann: Frieden ist
nicht in erster Linie eine Aufgabe der Staatsmänner und -frauen,
sondern eine mitunter mühsame Dialogarbeit, die vor allem auf
zivilgesellschaftlicher Ebene geleistet werden muss. Das gilt
übrigens nicht nur für den arabischen Raum, sondern auch für Europa.
Gerade in der emotionalen Flüchtlingsdebatte wünscht man sich mehr
Stimmen, die nicht aufwiegeln, sondern das Gespräch suchen. Stimmen,
die Frieden stiften. Insofern hat der Preis vielleicht mehr mit
Merkel und Deutschland zu tun, als es auf den ersten Blick den
Anschein hat.
OTS: Aachener Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/61649 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_61649.rss2
Pressekontakt: Aachener Zeitung Redaktion Aachener Zeitung Telefon: 0241 5101-389 az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
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