08.12.2013 19:09:58
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Aachener Zeitung: Kommentar: Ach, wie mutig! / Das ehrwürdige Direktorium und der Karlspreis / Von Bernd Mathieu
Aachen (ots) - Aachener Karlspreis für EU-Ratspräsident Herman Van
Rompuy: Was für eine wegweisende, bahnbrechende und grandios mutige
Entscheidung des Direktoriums! Was für ein heller Akzent in und für
Europa! Was für eine Überraschung, welcher Rückenwind für ein
ehrgeiziges Projekt, eine Aufsehen erregende Initiative oder ein
bedeutendes Lebenswerk! Entschuldigung, ehrwürdiges Direktorium: So
verliert dieser Preis wieder ein Stück seiner Bedeutung. Der Akt der
Einfallslosigkeit wurde sogar einstimmig beschlossen. Man fasst es
nicht. Da gibt es schon wieder keine Chance für europäische
Persönlichkeiten wie etwa Daniel Barenboim, Paul McCartney, Hans
Küng, einen europafreundlichen Griechen oder Türken von Format zum
Beispiel. Oder für die engagierten Europakämpfer mit Vitali Klitschko
in der Ukraine. Keine Chance für einen Künstler, Schriftsteller oder
Wissenschaftler. Kein neuer Akzent. Kein neuer Ansatz, keine neuen
Wege. Kein Aufbruch. Dieses Direktorium erklärt zwar seit Jahren,
dass es genau das will, scheint aber lieber in seiner durch nichts zu
erschütternden Beratungsresistenz zu verharren. Es bleibt beim
Üblichen. Wer so unambitioniert und entrückt handelt, darf sich über
sinkende Wahrnehmung und Akzeptanz nicht wundern. Van Rompuy ist im
besten Fall ein braver Pflichterfüller. Dafür wird er in diesem Amt
bezahlt. Es gab Zeiten, da reichte eine solche selbstverständliche
Normalität für eine so hohe Auszeichnung nicht aus. Der "Mann der
leisen Töne", wie der Sprecher des Karlspreis-Direktoriums, Jürgen
Linden, den Belgier unglaublich schönredet, ist deshalb alles andere
als eine überzeugende Wahl. Die jetzt in typischer Manier wieder
deklarierten wohlklingenden Begründungen helfen da nicht weiter, sie
sind ein Dokument der Worthülsen und der verbalen Zumutung,
formuliert in der bekannten Feierlichkeit, die man nicht mehr hören
will: "Arbeiter und zugleich Visionär". Wie bitte? Van Rompuy ein
Visionär? Geht es noch eine Nummer größer, noch übertriebener, noch
verdrehter? Van Rompuys kaum zu hörende Stimme und kaum
wahrzunehmende Einmischung in wesentliche europäische
Angelegenheiten, kurzum seine Unfähigkeit zu führen, werden uns von
den Karlspreis-Verleihern mit Etiketten wie "Meister des Ausgleichs"
oder "Krisenmanager" präsentiert. Das ist geradezu lächerlich.
Sprachliche Phantasie haben die Damen und die Herren in diesem
Gremium jedenfalls. Attestiert wird ausgerechnet Van Rompuy auch,
dass er, so Jürgen Linden wörtlich, dem "Laden Schwung gibt". Der
Mann, auf den das zurzeit zutrifft, ist allerdings nicht der
EU-Ratspräsident, sondern der Präsident des EU-Parlaments, Martin
Schulz. Aber der Würselener kommt in Aachen nicht zum Zuge, weil
nächstes Jahr das Europaparlament gewählt wird. Wo kämen wir hin,
wenn ein Wahlkämpfer einen Preis erhielte, den eher er als Van Rompuy
verdient hätte, wenn es denn unbedingt ein EU-Spitzenpolitiker sein
soll? Könnte ja sein, dass er tausende vom Karlspreis enthusiasmierte
Wählerinnen und Wähler zusätzlich gewänne. Wer's glaubt, hat
zumindest wieder eine wunderbare Begründung. Und darauf kommt es ja
offensichtlich vor allem in diesem traditionsreichen Gremium an, in
dem schon große Europäer wie Gorbatschow, Brandt und Genscher keine
Mehrheit fanden.
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