29.12.2014 19:22:59
|
Aachener Nachrichten: Zu viele Verlierer - Zehn jahre Hartz IV sind kein Grund zu feiern; Ein Kommentar von Joachim Zinsen
Aachen (ots) - Zehn Jahre Hartz IV und nach wie vor wird über die
Frage gestritten: War die Reform gut oder schlecht? Gibt es einen
Grund, den am 1. Januar anstehenden Jahrestag zu feiern, oder heißt
es, Trauer zu tragen? Die Antwort ist simpel: Es kommt auf die
Perspektive an! Wie für viele andere Gesetze gilt nämlich auch für
Hartz IV: Die Reform hat Gewinner und sie hat Verlierer produziert.
Zu den Gewinnern der Agenda-Reformen und deren Kernstück Hartz IV
gehören zweifellos Arbeitgeber und Aktionäre. Weil Arbeitslose
seither gezwungen sind, jeden Job anzunehmen, selbst wenn er noch so
miese bezahlt wird, ist das Lohnniveau in Deutschland über Jahre ins
Rutschen geraten. Das gilt insbesondere für den unteren Rand der
Entgelt-Skala. Zudem hat sich Hartz IV zu einem milliardenschweren
staatlichen Subventionsprogramm für Niedriglöhne entwickelt.
Unternehmen können deshalb auch auf Kosten der Steuerzahler höhere
Gewinne einfahren. Freuen über die Reform darf sich weiter die Spitze
der Bundesagentur für Arbeit. Sie kann heute deutlich niedrigere
Arbeitslosenzahlen verkünden als noch vor Jahren. Hartz IV wird von
ihr deshalb gerne als wichtiger Baustein eines "deutschen Jobwunders"
gerühmt. Doch das ist ein Mythos. Denn das Arbeitsvolumen, also die
in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden, ist durch die
Agenda-Reformen nicht gestiegen. Es wurde dank Leih- und
Teilzeitarbeit nur auf deutlich mehr Köpfe verteilt. Entstanden sind
so viele Jobs, die zwar die Arbeitslosenstatistik entlasten, aber
kein anständiges Auskommen garantieren. Den Gewinnern der
Agenda-Reformen steht eine deutlich größere Zahl von Verlierern
gegenüber. Zunächst sind da natürlich die Langzeitarbeitslosen. Fast
jeder, der heute länger als ein Jahr ohne Job ist, krebst am Rande
des Existenzminimums herum. Schlimmer noch: Als vermeintlicher
Drückeberger wird er stärker denn je überwacht, stigmatisiert und
sanktioniert. Er gilt inzwischen als Versager, als jemand, der für
sein Schicksal ausschließlich persönlich die Verantwortung trägt.
Opfer gesellschaftlicher Zustände gibt es nicht mehr, nur noch Täter.
Selbst wenn die Kinderarmut in Deutschland auch als Folge von Hartz
IV inzwischen doppelt so groß ist wie vor zehn Jahren, wird diese
Denkweise kaum in Frage gestellt. Verlierer der Reform sind auch die
Arbeitnehmer - nicht allein, weil viele von ihnen unter dem
Damoklesschwert Hartz IV leben und bei einem Verlust des
Arbeitsplatzes den Absturz ins gesellschaftliche Abseits fürchten
müssen. Nein, die Liberalisierung der Arbeitsmärkte und der durch die
Hartz-Gesetze aufgeblähte Niedriglohnsektor haben es für
Gewerkschaften deutlich schwieriger gemacht, Forderungen
durchzusetzen. Deshalb sind über Jahre die Reallöhne gesunken.
Darunter hat nicht nur die Kaufkraft großer Bevölkerungsteile in
Deutschland gelitten. Zusätzlich sind auch die Arbeitsmärkte unserer
Nachbarn in Europa unter Druck gesetzt worden. Frankreich ist nur das
aktuellste Beispiel dafür. Schließlich gehört die SPD zu den
Verlierern der eigenen Reformen. Mit den Hartz-Gesetzen hat die
Partei einem Teil ihrer Klientel nachhaltig vor den Kopf gestoßen.
Wie mühsam es ist, verlorenes Vertrauen gerade bei den Schwächsten
der Gesellschaft zurückzugewinnen, lässt sich an den demoskopischen
Werten der Partei ablesen. Trotz sozialdemokratischer
Reparaturarbeiten an der Agenda-Politik wie beispielsweise dem
Mindestlohn stagnieren sie auf Bundesebene weiter. Hartz IV und die
Agenda-Reformen haben in Deutschland die Schere zwischen Arm und
Reich vergrößert. Hartz IV hat Teile der Bevölkerung verunsichert und
von der Politik entfremdet. Hartz IV hat die Ellbogenmentalität in
unserer Gesellschaft gefördert. Das sind keine Erfolge - zumindest
nicht für jemanden, der mit der Perspektive Politik macht, den
Sozialstaat zu verteidigen und zu stärken.
OTS: Aachener Nachrichten newsroom: http://www.presseportal.de/pm/61202 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_61202.rss2
Pressekontakt: Aachener Nachrichten Redaktion Aachener Nachrichten Telefon: 0241 5101-388 an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
Der finanzen.at Ratgeber für Aktien!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!