09.12.2015 20:22:38
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Aachener Nachrichten: Kommentar: Zschäpe höhnt weiter Die wichtigsten Fragen sind immer noch offen Von Christina Merkelbach
Aachen (ots) - Nach zweieinhalb Jahren hat Beate Zschäpe ihr
Schweigen gebrochen. Mit der Erklärung, die sie ihren Verteidiger
Mathias Grasel gestern vorlesen ließ, zückt die 40-Jährige die
Weibchenkarte. Sie inszeniert sich als naives, zart besaitetes
Geschöpf, das auf der Suche nach Liebe in die Gesellschaft von
verbrecherischen Neonazis geraten ist. Erst im Nachhinein will sie
von den Morden erfahren und vollkommen entsetzt reagiert haben.
Mitglied im NSU sei sie nicht gewesen. Eine Pistole habe sie nur
angefasst, um sie - ganz pflichtbewusste Hausfrau - beim Aufräumen
in den Schrank zu legen. Die Selbstdarstellung als Unschuld vom Lande
passt nicht zu dem Eindruck, den Zschäpe seit Beginn des Prozesses
hinterlässt. Als sensible Person mit moralischen Ansprüchen hätte sie
die Hinterbliebenen der Opfer nicht immer wieder mit ihrem Verhalten
vor den Kopf gestoßen. Etwa, indem sie während der Verhandlung
teilnahmslos auf ihrem Laptop spielte, Bonbons lutschte oder mit
ihren Anwälten plauschte und lachte. Auch hätte die Person, die
gestern in der Einlassung beschrieben wurde, sich längst
entschuldigt. Beate Zschäpe höhnt weiter, indem sie vortäuscht, zur
Klärung der beispiellosen NSU-Verbrechensserie beitragen zu wollen.
Sie weiß genau, was sie tut und sie weiß auch, wann es zu tun ist. So
lehnte sie nach ihrer Verhaftung 2011 das Angebot ab, als Kronzeugin
auszusagen. Interessiert hatte sie sich beim Haftrichter erkundigt,
ob sie in dem Fall Namen nennen und Hintergründe berichten müsste.
Als dieser bejahte, entschloss sich Zschäpe nach kurzer Bedenkzeit
dagegen. Angesichts der erdrückenden Beweislast dürfte sie längst
nicht mehr hoffen, mit einem Freispruch davon zu kommen. Zu
Prozessbeginn mag das noch anders gewesen sein. Zielte doch die
Strategie ihrer drei Verteidiger darauf ab, dass Zschäpe es durch ihr
Schweigen dem Gericht unmöglich machen würde, sie wegen Mordes zu
verurteilen. Schließlich habe sie nicht selbst geschossen. Doch da
bislang fast alle Zeugen die Anklage stützen, kann Zschäpe
bestenfalls mildernde Umstände erwarten. Die Rechtsextremistin, von
Bekannten als dominant und selbstbewusst beschrieben, sieht ihre
Felle davonschwimmen. Deshalb hat sie sich erklärt. Die wichtigsten
Fragen der Hinterbliebenen sind weiter offen. Etwa, ob der NSU seine
Opfer gezielt ausgesucht hat. Aus ihrer Sicht hätte Zschäpe auch
weiterhin schweigen können.
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