22.04.2015 22:32:38
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Mittelbayerische Zeitung: Viel Sturm um ein Gewehr / Von der Leyen mustert das G36 aus, auch um von der Affäre nicht noch weiter belastet zu werden. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Es ist noch nicht einmal 18 Jahre her, als Ende
1997 in der Infanterieschule Hammelburg das nagelneue Sturmgewehr G36
offiziell an das Heer übergeben wurde. Eine präzise Hightech-Waffe,
die Maßstäbe setzen und für den renommierten deutschen Hersteller
Heckler & Koch auch wirtschaftlich Erfolg bringen sollte. Zumindest
Letzteres scheint gelungen. Das G36 wird von Lettland bis Australien,
vom Irak bis Brasilien eingesetzt. Und zwar ohne, dass es zu Klagen
über die Einsatzfähigkeit und Treffgenauigkeit gekommen ist. In der
Bundeswehr freilich ist das Sturmgewehr in Verruf geraten. Die von
allerhand Beschaffungskrisen geplagte Ministerin Ursula von der Leyen
musterte das umstrittene G36 der Bundeswehr nun kurzerhand aus. Ihre
Entscheidung war gewissermaßen ein Schuss aus der Hüfte. Ohne auch
nur die Ergebnisse der von ihr eingesetzten Arbeitsgruppen
abzuwarten, verkündete sie den Abschied vom Sturmgewehr. Von der
Leyen tat dies offenbar auch, um nicht weiter von der Affäre belastet
zu werden. Sie will nicht, dass an ihrem Ruf als entschlossene
Reformerin des verkrusteten Wehrressorts gekratzt wird - und sich
schon gar nicht ihre weitere Karriere zerschießen lassen. Die Suppe
sollen bitteschön andere auslöffeln. Etwa ihr Vorgänger im Amt, der
heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Unions-Politiker
hatte trotz eindringlicher interner Warnungen aus dem eigenen Haus
sowie vom Bundesrechnungshof am G36 festgehalten und sogar weitere
bestellt. Der dienstbeflissene de Maizère hat, wie nahezu alle seine
Vorgänger an der Spitze des Verteidigungsministeriums, die wuchernden
Strukturen des Beschaffungswesens nicht, zumindest nicht wirksam,
beschnitten. Von der Leyens Vorgänger war bereits die gescheiterte
Drohne auf die Füße gefallen. Nun könnten ihn die Probleme um das G36
nachträglich einholen. Für den Merkel-Vertrauten, der bis vor kurzem
auch den "harten Hund" in der Flüchtlingspolitik gab, sind das keine
guten Voraussetzungen, die Kanzlerin eines Tages ablösen zu können.
Bei von der Leyen liegen die Dinge in dieser Hinsicht anders. Zwar
sind die Dimensionen bei anderen Rüstungsprojekten, etwa beim
künftigen Transportflieger A400M, beim neuen Kampfhubschrauber oder
bei der geplanten Drohne andere als beim relativ kleinen Posten des
G36. Beim Sturmgewehr geht es für die Bundeswehr um Millionen, bei
anderen verkorksten Rüstungsprojekten stehen Milliarden im Raum,
einige davon müssen unter Mehrkosten verbucht werden. Allerdings,
auch wenn von der Leyen beim G36 nun entschlossen die Reißleine zog:
Ausgestanden ist die Affäre auch für sie noch nicht. Es gibt weitere
offene Fragen, die sie und ihr Ministerium beantworten müssen. Auch
ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der mit
staatsanwaltlichen Befugnissen ausgestattet ist, könnte sich der
ganzen Sache annehmen. Die Opposition erwägt, ein solches
Untersuchungsgremium einzusetzen. Und der Vorschlag findet selbst in
der mitregierenden SPD Anhänger. Wenn der flotten Ministerin am Zeuge
geflickt werden sollte, fänden sich auch im Regierungslager viele,
die nur allzu gerne mittäten. Der Fall G36 scheint zudem ein
unrühmliches Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit von staatlichen
Beschaffern mit Monopolanbietern in Kungelei ausarten kann. Und
offenbar gehörte die Fähigkeit, lange Dauerfeuer schießen zu können,
gar nicht zur Funktionsbeschreibung des Sturmgewehres, die die
Ministerialen Heckler & Koch vorgaben. Noch schlimmer ist die Frage
danach, ob wegen der nachlassenden Treffgenauigkeit des Gewehres
Soldaten im Einsatz, etwa bei Gefechten in Afghanistan, in noch
größere Gefahr gekommen sind.
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