Interview mit Birgit Wetjen, Chefredakteurin Courage Magazin
Nach ihrem VWL-Studium und ersten Journalismus-Erfahrungen hat sich Birgit Wetjen auf das Thema Frauen und Finanzen spezialisiert. Zudem ist sie Chefredakteurin des Courage Magazins.Interview mit Birgit Wetjen, Chefredakteurin Courage Magazin
Lass‘ uns gleich mit einer herausfordernden Frage einsteigen: Warum schieben viele Frauen das Thema Finanzen vor sich her? Was ist Deiner Erfahrung nach der Grund dafür?
Ich glaube, dass viele Frauen sich zunächst gar nicht bewusst darüber sind, dass Finanzen überhaupt ein Thema für sie ist. Wer gut ausgebildet ist und im Job startet, denkt nicht an Altersarmut. Vielleicht ist sogar Interesse an Geldanlage da, aber alles rund um die Börse erscheint vielen EinsteigerInnen zunächst unglaublich kompliziert und auch riskant. Die Angst, da etwas falsch zu machen, ist groß. Wer sich dann doch darauf einlässt und sich informiert, merkt schnell: Geldanlage ist kein Hexenwerk. Ist das Interesse erst einmal geweckt, bleiben Frauen meistens am Ball.
Was sind die häufigsten Fehler, die Frauen bei der Geldanlage machen, und wie können sie vermieden werden?
Der häufigste Fehler ist es sicherlich, sich nicht um sein Geld zu kümmern und nicht darüber zu sprechen. Viele Frauen lassen ihr gespartes Vermögen einfach auf dem Girokonto liegen, wo es sich nicht verzinst, sondern nach Inflation gemessen an der Kaufkraft sogar laufend weniger wird. Wer in einer Partnerschaft lebt, freut sich vielleicht, wenn sich der Partner ganz selbstverständlich um das gemeinsame Geld kümmert. Aber Untersuchungen belegen, dass das keine gute Idee ist. Vier von fünf Frauen, so das Ergebnis einer internationalen Studie der UBS aus dem Jahr 2017, haben nach dem Tod des Ehepartners oder nach einer Scheidung bedauert, sich nicht gekümmert zu haben - weil offensichtlich nicht alles zu ihren Gunsten lief.
Erzähle uns etwas über Deinen Werdegang in der Finanzwelt. Was hat Dich dazu inspiriert, Dich auf diesen Bereich zu spezialisieren?
Vorweg: Ich fand Geld schon immer spannend und habe schon als kleines Mädchen strahlend mein Erspartes gezählt. Das hatte damals natürlich nichts mit Geldanlage zu tun, sondern war eher Ausdruck von einem Gefühl der Freiheit. Als Kind habe ich Bonbons geliebt. Ich wollte erwachsen werden, um mir so viel Süßes kaufen zu können, wie ich will. Geld hatte also schon sehr früh etwas von Freiheit für mich. Der Grund, dass ich mich dann beruflich auf Geldanlage spezialisiert habe, ist aber eher banal. Ich habe nach meiner Ausbildung an der Journalistenschule und abgeschlossenem VWL-Studium als freie Journalistin gearbeitet und viel über Unternehmen, Branchen, Wirtschaft und Konjunktur geschrieben. Und dann kam die erste große Börsenhype in Deutschland - und es wurden händeringend Finanzjournalisten gesucht. Ich habe mich eingearbeitet und fand das spannend. Jahre später habe ich dann festgestellt, dass sich Frauen kaum mit dem Thema Börse beschäftigen. Deshalb habe ich mich dann auf Frauenfinanzen spezialisiert.
Was würdest Du sagen, wie können sich Anlegerinnen, die gerade anfangen sich mit ihren Finanzen zu befassen, am besten in das Thema einarbeiten?
Ich halte viele Vorträge für Frauen zum Thema Finanzen und manchmal scheint das so eine Art Initialzündung zu sein, um sich überhaupt mit dem Thema zu befassen. Ist das Interesse geweckt, gibt es wirklich sehr viele Möglichkeiten, sich mit der Geldanlage vertraut zu machen. Wir bei Courage informieren und begleiten Frauen mit unserem Magazin, dazu bieten wir kostenlose Live-Talks mit Expertinnen, wir bieten einmal im Monat eine kostenlose Wertpapiersprechstunde und für diejenigen, die sich dem Thema von der Pike auf nähern wollen, gibt es Kurse im Courage Campus. Zusammen mit der Börsen München und der Börse Frankfurt veranstalten wir Themenabende für Frauen, an denen es auch immer die Möglichkeit zum Austausch gibt. Zudem gibt es gute Bücher für EinsteigerInnen, einige Podcasts und You-Tube-Kanäle und auch die Börsen und Broker stellen kostenlos sehr viel Wissen zur Verfügung. Mein Rat: Nutzen Sie mehrere Quellen und bleiben Sie nicht gleich beim ersten Finfluencer hängen, der goldene Renditen verspricht. Davon tummeln sich nämlich auch einige in den sozialen Medien.
Wie wichtig ist es, dass Frauen sich gegenseitig im Bereich der Finanzbildung und -beratung unterstützen, und wie kann diese Unterstützung Deiner Ansicht nach in der Praxis aussehen?
Ich finde das sehr wichtig. Frauen möchten sich mit anderen Frauen austauschen - und das gerne in einem vertrauensvollen Ambiente. Wir haben neben unseren Veranstaltungen mit den Börsen München und Frankfurt im Rahmen von Courage Wissen zum Beispiel einen Stammtisch mit der DWS etabliert. Da treffen Frauen aus allen Branchen auf Expertinnen, die ihr Know-how zu unterschiedlichen Themen teilen. Und hinterher bleibt Zeit für´s Networking. Mein Eindruck: Frauen motivieren sich dann gegenseitig.
Zum Schluss noch eine private Frage: Verrätst Du uns, in was du aktuell investiert bist und wie Du deine Wahl getroffen hast?
Ganz unspektakulär! Ich habe eine Reihe Fonds und ETFs im Depot, ein paar wenige Aktien und zwei ETF-Sparpläne laufen. Ich bin also sehr breit aufgestellt und gucke nur selten in mein Depot.