Die Ölpreise haben sich am Montag der Marke von 50 US-Dollar angenähert bzw. die Marke zurückerobert. Während WTI auf 49,60 US-Dollar stieg (+1,8 Prozent), legte Brent um mehr als 3 Prozent zu. Hintergrund ist die gedrehte Stimmung an den Finanzmärkten infolge des Mordes an einer britischen EU-Befürworterin.
Am Freitag war die mehrwöchige Ölpreis-Rallye zu einem Halt gekommen; die Notierungen setzten unter die Marke von 50 US-Dollar je Barrel zurück. "Grund hierfür sind die Unsicherheiten um den Brexit-Ausgang sowie ein spürbar überkaufter Ölmarkt", argumentiert Rohstoffanalyst Ole Hansen von der Saxo Bank. Die seit Monaten anhaltenden Versorgungsstörungen in Nigeria, Libyen und Venezuela hätten gleichwohl größere Kursverluste verhindert. "Öl wird sich in den kommenden Monaten zwischen 45 US-Dollar und einem niedrigen 50 US-Dollar-Bereich pro Barrel bewegen", blickt Hansen voraus und warnt allzu bullishe Anleger: "Die Brexit-Entscheidung und die potenziellen Auswirkungen eines Austritts bleiben die größten Unsicherheitsfaktoren für spekulative Positionen."
Die Impulse aus dem Fundamentalumfeld am Ölmarkt fallen angesichts des Umschwungs am Finanzmarkt kaum ins Gewicht. Zwar warnt das Analysehaus Energy Aspects vor einem kräftigen Rückgang von Norwegens Ölproduktion: Aufgrund von Instandhaltungsmaßnahmen sollen im Juni bis zu 230.000 Barrel pro Tag weniger gefördert werden. Dennoch dürfte laut IEA-Prognose Norwegens Produktion 2016 nur minimal unter dem 4-Jahreshoch von 2015 liegen. Die Bohraktivitäten in den USA wiederum bleiben weiterhin auf niedrigem Niveau, obwohl sich nach Angaben des Öldienstleisters Baker Hughes die US-Ölbohrungen leicht belebt haben. Der jüngste Anstieg der Bohrungen war seit September 2015 der dritte und damit längste in Folge. "Offensichtlich werden die Schieferölproduzenten wieder zuversichtlicher, doch die Erholung ist unseres Erachtens noch zu zart, als dass man schon von einer Trendwende sprechen kann. Vorerst wird der Rückgang der Schieferölproduktion die Preise wohl stützen", schätzen die Rohstoffanalysten der Commerzbank ein.
Die Industriemetallpreise legen angesichts des höheren Risikoappetits der Investoren zum Wochenauftakt wieder zu. Während Zink rund 2.000 US-Dollar je Tonne erreicht und Nickel bei 9.200 US-Dollar je Tonne notiert, behauptet sich der Kupferpreis bei rund 4.550 US-Dollar je Tonne. Ende vergangener Woche war der Kupferpreis zwischenzeitlich sogar um 4 Prozent auf rund 4.700 Dollar je Tonne gestiegen.
Angeschoben wird der Kupferpreis von fundamentalen Nachrichten. So hat Chinas Regierung beschlossen, dem Problem des weltweiten Überangebots an Industriemetallen mit einer erhöhten Lagerhaltung beizukommen. China will die Lagervorräte ausgewählter Nichteisenmetalle - etwa Kupfer - durch den Aufbau von Staatsreserven erhöhen. Zusätzlich sollen unter enger Einbindung von Finanzinstituten kommerzielle Reserven aufgestockt werden. Darüber hinaus plant Chinas Staatsrat die rasche Beseitigung von Überkapazitäten im Land, etwa indem Exportanreize geschaffen werden. Besondere Auflage dabei: Die zum Export bestimmten Metalle müssen aus importierten Erzen hergestellt werden.
Doch trotz dieser Nachrichten liegt der Kupferpreis weiterhin nur minimal über seinem Sechsjahrestief bei 4.400 US-Dollar je Tonne vom Januar 2016. Viele Analysten gehen davon aus, dass die mittelfristigen Perspektiven für Industriemetalle weiterhin trüb aussehen dürften. Die Analysten der Société Générale prognostizieren für das laufende Jahr ein Überangebot von 300.000 Tonnen. Zuletzt waren die Lagervorräte für Kupfer an der London Metal Exchange um 37 Prozent (57.000 Tonnen) geklettert - stärkster Anstieg seit 2005. Weil China der weltweit wichtigste Kupferverbraucher ist, hängt die Entwicklung des Kupferpreises in besonderem Maße von der chinesischen Konjunktur ab. Investoren behalten deshalb die Konjunkturdaten aus China im Blick. Dabei spitzt sich hier die Lage zu: Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) müsse China schnell etwas gegen die Schulden seiner heimischen Unternehmen tun - sie liegen inzwischen bei 145 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die horrende Verschuldung könnte eine Bankenkrise auslösen und dadurch das Wirtschaftswachstum weiter gefährden.