05.02.2015 21:07:31
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UPDATE2: Schäuble bleibt hart gegenüber Athener Forderungen
-- Schäuble besteht nach Treffen mit Varoufakis auf Verlässlichkeit
-- Berlin pocht auf Einhaltung der Vereinbarungen
-- Athen will Überbrückungshilfe bis Ende Mai
(NEU: Gabriel, Ohoven)
Von Andreas Kißler
BERLIN--Deutschland hat der neuen griechischen Regierung seine ablehnende Haltung zu einer Neuverhandlung der mit dem Land getroffenen Vereinbarungen klar gemacht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich nach einem Treffen mit seinem Athener Amtskollegen Yanis Varoufakis konziliant im Ton, machte aber in der Sache keine Zugeständnisse.
Schäuble pochte auf Verlässlichkeit bei der Einhaltung getroffener Vereinbarungen, auch wenn er bei einer Pressekonferenz von einem "breiten gemeinsamen Grundverständnis" sprach. Einen Schuldenschnitt lehnte er erneut ab. Varoufakis sagte zu, Deutschland könne von Griechenland ein "Höchstmaß an Vernunft" erwarten, und forderte Überbrückungshilfen.
Berlin besteht auf Einhaltung der Vereinbarungen
Der deutsche Finanzminister bezeichnete Verlässlichkeit als Voraussetzung für Vertrauen. "Ich muss ein wenig darauf achten, dass Absprachen, die wir getroffen haben, auch eingehalten werden." Griechenland befinde sich noch in einem laufenden Programm, und solle dieses Programm geändert werden, brauche es dazu eine Vereinbarung. "Wir waren uns, wenn ich das richtig verstanden habe, einig, dass das Thema Schuldenschnitt nicht von aktueller Bedeutung ist", sagte er zudem.
Über die nun weiter zu treffenden Maßnahmen stimme man aber nicht überein, und er habe seine "Skepsis nicht verhehlen können, dass manche der angekündigten Maßnahmen nach unserer Überzeugung nicht unbedingt in die richtige Richtung gehen", sagte Schäuble. "We agree to disagree", fasste er den Diskussionsstand zusammen - "wir stimmen überein, dass wir uns uneinig sind".
Athen fordert Überbrückung bis Ende Mai
Griechenland habe "den schwierigsten Weg" zu gehen, die Gründe dafür lägen aber in dem Land selbst, und nicht in Europa oder Deutschland. Ausdrücklich beharrte Schäuble darauf, Griechenland müsse weiter mit der Troika der Geldgeber verhandeln. Dies nannte er "unstreitig". Athen lehnt die Troika aber kategorisch ab.
Varoufakis erklärte, das derzeitige Hilfsprogramm laufe bis zum 28. Februar. Athen wolle aber ein Überbrückungsprogramm bis Ende Mai, "damit wir ein bisschen Luft haben". In kurzer Zeit solle es dann eine Vereinbarung mit EU und IWF geben.
Griechenland will Zahlungsausfall verhindern
Deutschland habe in der griechischen Regierung einen potentiellen Partner, wenn es darum gehe, Lösungen für Europa zu finden. "Sie können von meiner Regierung ein Höchstmaß an Vernunft erwarten." Griechenland befinde sich in einer grausamen Deflations- und Schuldenspirale, tue aber alles, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.
Das bisher vereinbarte Reformprogramm funktioniere nicht, meinte der griechische Finanzminister. "Wir fechten die Logik des Programms an", sagte er, und sprach von einer Umschuldung. Der größte Kredit aller Zeiten sei an einen bankrotten Staat gegeben worden. "Wir sind der Meinung, dass unsere Partner uns zu viel Geld gegeben haben, nicht zu wenig." Dem Programm fehlten noch "signifikante Reformen". Unter anderem erneuerte Varoufakis die Absicht, die Korruption einzudämmen.
Deutschland hat zu viel Geld gegeben
Nach einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erneuerte Varoufakis seine Haltung zu dem Hilfsprogramm. "Meine Botschaft an den deutschen Steuerzahler ist, ihr habt uns zu viel Geld gegeben", sagte er. Das Geld sei jedoch in die falschen Taschen geflossen und nicht beim griechischen Volk angekommen.
Der deutsche Wirtschaftsminister stimmte seinem Gast zu, dass Griechenland nach Ende Februar ein weiteres Hilfsprogramm brauchen wird. "Ein Programm wird es geben", betonte Gabriel. Der SPD-Chef machte aber auch klar, dass Deutschland nicht bereit ist, für einen anderen Politikansatz in Griechenland zu zahlen.
Bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) äußerte Gabriel am Abend zudem den Eindruck, die Regierung in Athen bewege sich endlich. "Jedes Land hat das Recht, sich eine neue Regierung zu wählen, aber was nicht geht, ist, dass die finanziellen Folgen einer neuen Politik von den Bürgerinnen und Bürgern anderer Länder bezahlt werden müssen", stellte er klar. "Deshalb kann es keinen Schuldenschnitt geben, und deshalb kann es auch kein Geld ohne Reformprogramm geben." Das habe er auch Varoufakis gesagt. "Mein Eindruck ist, so langsam bewegt sich etwas", berichtete der Vizekanzler.
Opposition und Ökonomen sparen nicht mit Kritik
Die deutsche Opposition übte allerdings ebenso Kritik wie Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler - jedoch mit unterschiedlichen Zielrichtungen. BVMW-Präsident Mario Ohoven beklagte, der von Griechenland geforderte Schuldenschnitt solle jetzt nur anders heißen. "Griechenland ist Lichtjahre von einer Sanierung entfernt", sagte er, und sprach sich für ein "Ende mit Schrecken" aus. Die neue griechische Regierung handele nach der Devise "frech kommt weiter". Doch der Mittelstandspräsident zeigte sich überzeugt, die Bundesregierung lasse sich dies nicht gefallen.
"Die Bundesregierung muss endlich von ihrer ideologischen, verbohrten Europapolitik abrücken und sich auf konstruktive Verhandlungen und Lösungen in Europa einlassen", forderte der Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, immer weiter steigender Schuldenquoten, wirtschaftlicher Instabilität und Deflationsgefahren sei klar, dass die Austeritätspolitik in Europa gescheitert sei.
Die beiden prominenten EZB-Kritiker Bernd Lucke und Hans-Werner Sinn sahen in den jüngsten Turbulenzen um Griechenland den Beweis für das Scheitern der Währungshüter. "Endlich hat selbst die Europäische Zentralbank begriffen, dass Griechenland keinen endlosen Zugang zu frischem Geld bekommen darf", sagte AfD-Sprecher Lucke zu Dow Jones Newswires. Mit jedem weiteren Kredit an Athen wachse die Gefahr für Deutschland, "noch mehr Geld zu verlieren als ohnehin schon", warnte Sinn, der Präsident des Münchner ifo-Institutes.
EZB setzt Athen unter Druck
Griechenland ist unter weiteren Druck geraten, weil die EZB überraschend Sonderregelungen für den Einsatz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten aufhob und damit den Zugang zu frischem Geld erschwerte. Der griechische Finanzminister hatte vor seinem Besuch in Berlin Gespräche in mehreren anderen EU-Hauptstädten geführt und sich erst am Mittwoch mit EZB-Präsident Mario Draghi getroffen.
Kein Treffen mit Merkel
Die Bundesregierung hatte sich von dem Gespräch mit Varoufakis Aufschluss über die konkreten Planungen in Athen versprochen. Es ist der erste Besuch eines Mitglieds der neuen griechischen Regierung in Berlin. "Wir freuen uns auf die ersten Begegnungen, warten auf die konkreten Vorschläge, und dann können wir weiter sprechen", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt.
Deutschland beharrt auf die Einhaltung der griechischen Verpflichtungen, vor allem auf Strukturreformen. Ein bilaterales Treffen Merkels mit dem neuen Athener Regierungschef Alexis Tsipras ist vorerst jedoch nicht geplant.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
(Mitarbeit: Christian Grimm)
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February 05, 2015 14:36 ET (19:36 GMT)
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