04.10.2015 14:17:47

UPDATE/Luxemburg und Schulz wollen Defizitregeln wg Flüchtlingen lockern

   --Luxemburgs Finanzminister verweist auf finanzielle Herausforderung

   --Zusatzausgaben sollen "neutralisiert" werden

   --EU-Parlamentspräsident nennt Flüchtlingsbewegungen sind besondere Lasten

   (NEU: Aussagen von Luxemburger Finanzminister Gramegna)

   FRANKFURT (Dow Jones)--Ein bereits Mitte September gestarteter Vorstoß, die EU-Defizitregeln wegen der Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu lockern, hat am Wochenende neue Befürworter bekommen. Nachdem sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) in einem Interview für eine Berücksichtigung bei der Bewertung der Budgetdefizite in den EU-Staaten ausgesprochen hatte, setzt sich auch Luxemburg für eine Lockerung der Kriterien ein.

   Der Finanzminister des Großherzogtums, Pierre Gramegna, plädierte dafür, die Ausgaben für Flüchtlinge als besondere Last anzuerkennen und die Verschuldungsgrenze der EU-Staaten dafür zu lockern, wie er dem Handelsblatt sagte. Luxemburg führt derzeit den EU-Rat. "Wir sollten die zusätzlichen Ausgaben neutralisieren." Gramegna: "Wenn ich sehe, dass jetzt mehr als eine Million Flüchtlinge kommen, ist das eine echte Herausforderung. Auch eine finanzielle. Ich finde, dass man in einer solchen außerordentlichen Lage der Asylpolitik höchste Priorität einräumen und ihr entsprechend Rechnung tragen muss.

   Wenn es Hungersnöte gebe, "sagen wir ja auch nicht, wir haben wegen unserer Regeln kein Geld mehr. Wer Verantwortung wahrnimmt, muss auch die Kosten im Blick haben", sagte der Luxemburger.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wie auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatten sich zuletzt gegen solche Lockerungsbestrebungen ausgesprochen. Die Regierungen der EU sollten die Kosten nicht als Entschuldigung benutzen, die Defizitregeln zu ändern. Schäuble bezeichnete entsprechende Versuche als "langweilig". Weidmann nannte den Vorstoß, die Defizitregeln aufzubohren, "abwegig".

   Einige Finanzminister hatten beim Treffen der Finanzminister am 11. und 12. September von der EU-Kommission eine Prüfung gefordert, ob die Ausgaben für Flüchtlinge als "außerordentliches Ereignis" klassifiziert werden könnten und somit beim Jahresdefizit nicht zählten.

   Gemäß den Haushaltsregeln der Europäischen Union darf das Defizit eines Landes die Grenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Die Verschuldung darf maximal 60 Prozent des BIP betragen. Länder, die diese Ziele nicht einhalten oder nicht ausreichende Fortschritte in deren Richtung aufweisen, riskieren Sanktionen.

   Schulz hatte in einem an diesem Wochenende veröffentlichten Interview mit Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, "die Flüchtlingsbewegungen sind ohne Zweifel besondere Lasten, wie sie im Maastrichter Vertrag genannt werden". Angesichts der enormen Belastungen, die einzelne EU-Länder in der Flüchtlingskrise schultern müssten, "können wir nicht so tun, als sei alles im Normalzustand".

   Zugleich sprach sich Schulz für ein verbindliches Quotensystem zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU aus. Als Kriterien nannte er Einwohnerzahl und Bruttoinlandsprodukt, außerdem die Zahl der Arbeitslosen und der bereits aufgenommenen Flüchtlinge. "Ein EU-Verteilungsschlüssel heißt dann auch: Wer nach Europa kommt, erhält Schutz, hat aber keinen Anspruch auf ein Land seiner Wahl", sagte Schulz und mahnte die Mitgliedstaaten zu größerer Solidarität. "Wir haben 28 Länder mit 507 Millionen Einwohnern, gemeinsam schaffen wir das", sagte er. "Aber wenn nur vier oder fünf Länder die Lasten tragen, bekommen wir ein Problem."

   (Mit Material von AFP)

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/smh

   (END) Dow Jones Newswires

   October 04, 2015 07:47 ET (11:47 GMT)- - 07 47 AM EDT 10-04-15

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