28.01.2014 21:29:59

Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Bildungsplan - Eben mal empören

Ravensburg (ots) - Knapp 200000 Menschen unterstützen die Online-Petition gegen den Bildungsplan 2015; weitere gut 200000 Menschen haben die Gegen-Petitionen digital unterzeichnet, in Baden-Württemberg und anderswo. Um solche Zahlen zu erreichen, hätten früher viele Aktivisten ihre Freizeit opfern müssen. Sie hätten sich an Info-Ständen in der Fußgängerzone die Beine in den Bauch stehen und von Gegnern anpöbeln lassen müssen. Sie hätten stapelweise Papier zu jedem Elternabend, zu jedem Vereinstreffen schleppen müssen. Und heute? Ein paar Klicks, fertig. Wie bequem es doch geworden ist, sich als politischer Aktivist zu fühlen.

Tatsächlich haben Online-Petitionen mit politischem Engagement so viel oder so wenig zu tun wie Facebook-"Freunde" mit echten Freunden: Die Zahl mag groß sein, die Substanz lässt oft zu wünschen übrig. Auf der Plattform OpenPetition, die von Gegnern und Befürwortern des Bildungsplans gleichermaßen genutzt wird, werden nach Angaben der Betreiber jeden Tag zehn neue Petitionen eingestellt.

Dies geschieht in einem digitalen Umfeld, in dem die Diskussionskultur, gefördert durch die Anonymität im Internet, ohnehin eine ruppige ist. Schnell schwappt die Empörung hoch. Die Entrüstung der Masse, der "Shitstorm", richtet sich mal gegen diesen, mal gegen jenen. Zuletzt bekam das der ZDF-Moderator Markus Lanz zu spüren. Nach einem - journalistisch in der Tat fragwürdigen - Interview mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht haben 220000 Internetnutzer das ZDF aufgefordert, den Moderator rauszuwerfen.

Die Masse der Empörten wird offenbar vor allem dann aktiv, wenn die Themen so einfach gestrickt sind, dass sich jedermann ohne tieferes Vorwissen eine Meinung bilden zu können glaubt. Ob dies die wirklich wichtigen Fragen einschließt, darf bezweifelt werden. Die Prognose sei gewagt: Deutschlands Zukunft wird nicht von Markus Lanz abhängen. Ebenso wenig übrigens wie von der Frage, ob im Unterricht etwas mehr oder etwas weniger über Homosexualität gesprochen wird.

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Pressekontakt: Schwäbische Zeitung Redaktion Telefon: 0751/2955 1500 redaktion@schwaebische-zeitung.de

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