01.06.2022 20:30:38

OTS: Börsen-Zeitung / Umsteuern tut not, Kommentar zur DWS von Wolf Brandes

Umsteuern tut not, Kommentar zur DWS von Wolf Brandes

Frankfurt (ots) - Es ist erstaunlich, wo bei der DWS überall Nachhaltigkeit

draufsteht. Der 66 Jahre alte Fondsklassiker DWS Investa, der in Blue Chips

anlegt, heißt seit vier Jahren DWS ESG Investa. ESG steht für eine Beachtung von

Umwelt-, sozialen und Governance-Kriterien. Die Zahl der Anlageprodukte bei der

Tochter der Deutschen Bank ist mittlerweile stark angewachsen, tippt man auf der

Homepage ESG ein, bekommt man 61 Treffer. Immer mehr Manager, nicht nur bei der

DWS, nutzen ESG-Kriterien zur Auswahl ihrer Investments.

ESG und Nachhaltigkeit sind für die Branche auch ein Marketinginstrument

geworden - und nicht nur eine Frage von EU-Regulierung, Stichwort Taxonomie und

Umweltschutz. Den "ESG-Vorteil" haben mittlerweile fast alle Assetmanager

erkannt und trommeln für ihre grünen Produkte. Die Frage ist jedoch, inwieweit

Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen und wann das hässliche Wort

"Greenwashing" ins Spiel kommt.

Diesen Verdacht hat nun die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen die DWS

geäußert, indem sie von Kapitalanlagebetrug spricht und damit von vorsätzlich

falschen Angaben beispielsweise in den Prospekten. Ob also da, wo

"ESG-integriert" draufsteht, auch nachhaltig ausgewählte Papiere drin sind, die

DWS diesem Anspruch auch gerecht wird. Dieser Vorwurf von Etikettenschwindel

steht bei der DWS schon seit August 2021 im Raum, auch die US-Börsenaufsicht

befasste sich schon damit.

Zu Recht kann man einwenden, dass Nachhaltigkeit oftmals nicht objektiv zu

messen ist. "Grün" ist eine weiche Beschreibung und damit nicht zwingend

justiziabel. Doch die DWS muss sich vorwerfen lassen, die ESG-Affäre zu lange

heruntergespielt zu haben. Jetzt ist mit dem Abgang von DWS-Chef Asoka Wöhrmann

eine deutliche Konsequenz gezogen worden.

Die DWS muss umsteuern, zumindest in Sachen Transparenz. Der Verzicht auf

bestimmte ESG-Labels, den sich die Fondsgesellschaft verordnete, hat nicht

gereicht. Dass Wöhrmann als Steuermann über Bord geht, zeigt, wie ernst man die

Vorwürfe nimmt. Keine Frage, der Chef muss die Verantwortung tragen. Ob es in

der Sache den Richtigen trifft, sei dahingestellt. Wöhrmann ist ein Mann der

Märkte, nicht des Marketings. Er hat seit 25 Jahren für DWS und Deutsche Bank

gute Arbeit geleistet und zuletzt die Fondsgesellschaft wirtschaftlich auf

Vordermann gebracht. Doch möglicherweise hat er in dieser Sache manches falsch

eingeschätzt und im Einzelfall­ nicht genau hinge­sehen.

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