22.05.2015 19:40:39

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Börsen-Zeitung: US-Zinswende ade, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Die Leitzinswende in den USA darf nun wohl

getrost zu den Akten gelegt werden - zumindest für Juni ist sie erst

mal vom Tisch. Vielleicht wird es in der zweiten Jahreshälfte noch

eine Chance dafür geben. Wenn es im zweiten Halbjahr noch dazu kommen

sollte, dann aber wohl auch eher in Richtung Jahresende.

Dass die Zinswende im Juni nicht mehr Realität wird, dafür

sprechen zum einen die aktuelle Datenlage und zum anderen die

Äußerungen seitens verschiedener US-Notenbanker. Im vergangenen Jahr,

aber auch im ersten Quartal dieses Jahres waren viele Marktteilnehmer

immer noch davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit für die

erste US-Leitzinsanhebung seit der Finanzkrise zur Jahresmitte

vergleichsweise hoch ist. Dann zeichnete sich aber mehr und mehr ab,

dass die Wirtschaft in den USA doch nicht so rund läuft, dass sie

eine Zinsanhebung auch nachhaltig verkraften könnte.

Schwacher Jahresauftakt

Untermauert wurde das durch die Wachstumszahlen für das erste

Quartal. Das Bruttoinlandsprodukt der größten Volkswirtschaft der

Welt war in den ersten drei Monaten dieses Jahres nur um 0,2%

gewachsen. Der Grund für das schwache Wachstum in den USA war zum

einen der strenge Winter, zum anderen der starke Dollar. Denn die

US-Unternehmen leiden darunter, dass der Greenback gegenüber dem Euro

so stark aufgewertet hat. Und genau dieser Faktor macht der

US-Wirtschaft weiterhin zu schaffen, d.h. auch in den kommenden

Monaten. Denn hier wirkt ein Hebel, den die Amerikaner selbst nicht

betätigen können, nämlich das Bondkaufprogramm der Europäischen

Zentralbank, mit dem Disinflation und Deflationsrisiken im

gemeinsamen Währungsraum abgewendet werden sollen. Viele

Marktteilnehmer sind sich darin einig, dass die europäischen

Währungshüter das Quantitative Easing bis September kommenden Jahres

durchziehen werden, damit das Programm seine volle Wirkung entfalten

kann.

Aber auch zu Beginn des zweiten Quartals zeichnet sich nicht

gerade eine kräftige Belebung der US-Konjunktur ab. Ganz im

Gegenteil: So sind die US-Einzelhändler mit einem eher schwächelnden

Geschäft in das zweite Vierteljahr gestartet. Die Umsätze stagnierten

im ersten Quartal im Vergleich zum Vormonat. Volkswirte hatten mit

einem Anstieg von 0,2% gerechnet nach einem Plus von 1,1% im März.

Der Einzelhandel macht in den USA rund 30% des privaten Konsums aus;

dieser wiederum steht für 70% der US-Wirtschaftskraft. Nicht gerade

robuste Daten kamen dann aus der US-Industrie, die ihre Produktion im

April zur Überraschung vieler Marktteilnehmer gedrosselt hat. Sie

fiel im Vergleich zum Vormonat um 0,3%. Die Analysten waren mit ihrer

Prognose eines Anstiegs um 0,1% optimistischer. Schlechte Nachrichten

kamen dann noch von der Inflationsseite: Die Erzeugerpreise waren im

April um 0,4% gesunken. Die am Freitag vorgelegten Verbraucherpreise

bestätigten insgesamt das Bild: Sie fielen im April um 0,2% zum

Vorjahr. Das ist der kräftigste Rückgang seit fünfeinhalb Jahren. Die

Kernrate lag allerdings bei 1,8%, was als robust gewertet werden

darf.

Eine Zinsanhebung passt nicht zum Bild schwacher Makrodaten. Aber

auch seitens der Fed-Vertreter war jüngst immer wieder zu vernehmen,

dass die US-Notenbank es mit der Zinsanhebung nicht so eilig hat, wie

mancher im Markt meint. Narayana Kocherlakota, Chef der Fed von

Minneapolis, der in der Vergangenheit schon häufiger durch eine sehr

realistische Einschätzung der Sachlage aufgefallen ist, meinte schon

im vorigen Monat, dass sich die Fed noch sehr viel Zeit lassen kann

mit dem ersten Zinsschritt seit der Finanzkrise. Und das bezog er

nicht auf dieses Jahr, sondern auf das kommende Jahr. Die Fed könnte

sogar bis zur zweiten Jahreshälfte 2016 warten, so seine

Einschätzung. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung und Äußerungen

aus den Reihen der Fed ist man durchaus geneigt, ihm recht zu geben.

Notenbanker sorgen sich

Und dann kam in der abgelaufenen Woche das Protokoll der Sitzung

des Offenmarktausschusses von Ende April. Damit dürfte die

Zinsanhebung endgültig vom Tisch sein. Viele Fed-Vertreter sagten in

der Sitzung, dass sie das Gefühl haben, dass die Wirtschaft sich

wahrscheinlich nicht genug verbessern wird, um eine Zinserhöhung im

Juni zu rechtfertigen. Klarer geht es wohl kaum. Außerdem sorgen sich

die Verantwortlichen bei der US-Notenbank über die Finanzprobleme

Griechenlands. Schlussfolgerung: Die Fed wartet ab - wie schon so

oft!

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