23.12.2016 20:40:41
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Börsen-Zeitung: Mit reinen Händen, Marktkommentar von Dietegen Müller
Frankfurt (ots) - Rechtzeitig zum Jahreswechsel, mitunter im
Scheine der Kerzen des Weihnachtsbaums, kommt bei manch einem das
Bedürfnis hoch, an die Umsetzung guter Vorsätze zu gehen. Im kurzen
Innehalten fällt der Blick zurück auf ein Jahr, in dem viel erreicht,
aber sicher auch das eine oder andere versäumt wurde. Für Investoren
macht sich die Befindlichkeit zuallererst an der finanziellen
Performance ihrer Assets im Jahresvergleich fest.
Einige Vermögensverwalter haben die vergangenen zwölf Monate aber
auch genutzt, ihre Beteiligungen neu auszurichten; unter dem Argument
des Klimaschutzes hat der norwegische Government Pension Fund Global
vor wenigen Tagen weitere 15 Unternehmen, deren Geschäft in
Zusammenhang mit Kohle steht, aus dem Portfolio ausgeschlossen. Schon
im April wurden 44 Unternehmen verbannt. Damit wird die
Ausschlussliste der Norweger immer länger: Unternehmen mit Bezug zur
Produktion von Streubomben, Nuklearwaffen, Tabak sowie Firmen, die
Menschenrechte und Umwelt schwerwiegend beschädigen, extrem korrupt
sind, in Kriegen oder Konflikten individuelle Menschenrechte
schwerwiegend missachten oder andere fundamentale ethische Normen
besonders schwerwiegend mit Füßen treten, will der weltweit
drittgrößte Staatsfonds nicht im Depot halten.
Auch europäische Gesellschaften wie Airbus, British American
Tobacco, Drax, Norilsk Nickel, Safran oder Swedish Match sind davon
betroffen. Teilweise reichen die Entscheidungen zum Ausschluss schon
mehrere Jahre zurück. Ob sich seither bei einigen Unternehmen etwas
verändert hat, was den Ausschluss rückgängig machen ließe?
Ausgeschlossen
Mit fast 130 betroffenen Adressen unter den rund 8790 Positionen,
die der norwegische Pensionsfonds hält, fällt diese Liste in puncto
Marktkapitalisierung nur wenig ins Gewicht. Die Norweger sind keine
Ethik-Extremisten, aber auch keine Alleingänger. Auch andere
Großinvestoren beachten Fragen des sozial verantwortlichen
Investierens - das Stichwort heißt SRI - oder von Umweltschutz,
Sozialem und Unternehmensführung - ESG. Die Kirche von England legte
sich im Frühjahr etwa mit dem US-Ölriesen ExxonMobil an, was die
Publikation von CO2-Emissionen anbelangt und den Umgang des Konzerns
mit der möglichen Erwärmung der Erde um 2 Grad Celsius.
Die 2-Grad-Frage wird in standardisierter Form bald noch eine
wichtige Rolle für institutionelle Investoren und Unternehmen
spielen. Die nach der Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015
gebildete Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD)
empfiehlt, dass Unternehmen ein 2-Grad-Szenario und damit verbundene
Chancen und Risiken in ihre Berichterstattung aufnehmen sollen.
Anfang Juli soll der Financial Stability Board (FSB) auf dem
G20-Gipfel einen Bericht dazu vorlegen. Auch der Europäische
Ausschuss für Systemrisiken (ESBR) empfiehlt, die Finanzierung
kohlenstoffintensiver Branchen genauer unter die Lupe zu nehmen, um
daraus erwachsende Risiken für den Finanzsektor früh genug zu
erkennen.
Für Investoren zeichnet sich eine Wende ab: Standardisierte
klimabezogene Daten könnten bald in größerem Umfang vorgelegt werden.
Damit ergeben sich für Institutionelle neue Ansatzpunkte, aber auch
neuer Rechtfertigungsdruck, wie sie ihre Investments steuern.
Taktgeber ist ausnahmsweise Frankreich, wo institutionelle Investoren
seit 2015 verpflichtet sind, offenzulegen, was im Portfolio
geschieht, wenn die Wirtschaft CO2-ärmer würde, und welcher Anteil
der Anlagen in den Umbau der Energieversorgung fließt.
In Deutschland besteht hier trotz bereits vorhandenen Bewusstseins
noch Nachholbedarf. Auf der Retail-Seite ist die Nachfrage nach
sozial verantwortlichen oder umweltbezogenen Anlagestrategien bisher
eher verhalten, ist zu hören. Doch institutionelle Investoren werden
sich aufgrund sich ändernder Regularien zwangsläufig verstärkt damit
befassen. Laut dem European Sustainable and Responsible Investment
Forum (Eurosif), das 2016 europaweit 278 Vermögensverwalter mit 15
Bill. Euro Assets under Management befragt hat, stützen sich deutsche
Adressen vor allem auf den Ausschluss bestimmter Firmen. Nur reine
Hände zu haben, reicht aber nicht. Zu den treuhänderischen Pflichten
zählt immer mehr auch, zu begründen, nach welchen Kriterien in
Produkte oder Unternehmen investiert wird, die nach anerkannten
Standards als sozialverträglich oder umweltverträglich gelten.
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