23.09.2014 19:54:00

"Offenes" Finanzministerium - Dialogreihe mit Steuerdebatte gestartet

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will sein Ministerium öffnen. Passend zur baldigen Regierungsklausur, bei der es ums Volumen der geplanten Steuerreform geht, tat er das per Diskussion über "Reformen und öffentliche Haushalte". "Steuerreform heißt nicht nur Steuersenkung sondern immer auch Gegenfinanzierung", so die Botschaft von Hauptredner Bert Rürup vom Handelsblatt Research Institute.

Ein nachhaltig solides Budget stehe aber auch nicht in Konflikt mit einer kurzfristigen Verschuldung und Konsolidierung, so Rürup weiter in einer seiner zehn Thesen. Die eigentliche Belastung sei prinzipiell nicht die Nettoneuverschuldung, sondern die Schulden-Refinanzierung. Die Schuldenrückführung sei auch wichtig, um vor externen Schocks gewappnet zu sein.

Jedenfalls wäre Rürup "sehr überrascht" wenn es in Österreich zu einer Entlastung von vier bis 4,5 Milliarden Euro käme - "da weder ÖVP noch SPÖ eine abgabenrechtliche Begünstigung eigener Gruppen" beenden würden. "Ich glaube nicht, dass eine Reform 2016 eine wirklich große wird." Grund dafür sei auch, dass die Gestaltungsfähigkeit der Politik in Österreich zumindest auf Bundesebene schwinde, sagte der Deutsche über seinen "persönlichen Eindruck". Als Beobachter von außen sehe er, dass SPÖ und ÖVP sukzessive schwächer würden. Da es bei einer großen Steuerreform aber "zwingend auch Verlierer bei der eigener Klientel" gäbe, glaubt Rürup nicht an den großen Wurf, für den eine Große Koalition "eigentlich prädestiniert" sei. Tendenziell würden von den beiden Regierungsparteien erkennbare Probleme kleingeredet - "vor dem Hintergrund einer erodierenden Machtbasis".

Diskutiert wurde nach den Ausführungen von Keynote-Speaker Rürup mit dem Finanzminister und dessen weiteren Gästen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Wifo-Chef Karl Aiginger und IV-Präsident Georg Kapsch auf einem Podium vor rund 200 geladenen Gästen.

Hundstorfer verwies schon vor der Veranstaltung darauf, dass die Koalition bald in konkrete Verhandlungen Richtung Steuerreform gehen und man sich "überraschen lassen" solle, was die Große Koalition noch weiterbringen werde.

Schelling meinte in seiner Einstiegsrede, dass sich alle Regierungen täuschen würden, die glaubten, ein Schuldenproblem über Wachstum finanzieren zu können und erinnerte mit Blick zu Aiginger an kürzlich erst gekappte Wachstumsprognosen. Die Steuerreform stehe nicht im Koalitionspakt, erinnerte Schelling später in der Diskussion - und lehnte es einmal mehr ab, über eine Gegenfinanzierung zu reden ehe noch ein Ziel formuliert wurde. Sein Ziel laute, die Konsolidierung des Staatshaushaltes nicht aus den Augen zu verlieren. Zweitens müsse "entrümpelt, vereinfacht, entbürokratisiert" werden. Auch Ausnahmen beim Versteuern würden angeschaut, "einiges haben wir schon im Auge". Bei der Regierungsklausur müsse auch diskutiert werden, "wie viel der Volumen steuern wir wo hin". Die Kaufkraft müsse vor allem in den unteren Lohnbereichen gestärkt werden.

Bei gewissen Leistungen, etwa Pensionen, gebe es "ordentliche Bremsfaktoren", erinnerte Hundstorfer. Auch bei der Pflege sei einiges getan worden.

Wenn mehr Jobs geschaffen werden sollen, "dann müsste der Faktor Arbeit aber ordentlich entlastet werden", sagte Aiginger. Mit einem Reformvolumen von vier Milliarden Euro könnte gerade der Eingangssteuersatz gesenkt werden, nötig wären "sechs Milliarden plus". Ohne Ausgabenreform werde das schwierig. Man müsse klären, "wie schaffen wir es, dass Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben so teilen, dass gespart wird". Als sosntige Gegenfinanzierungen böten sich Umweltsteuern bzw. Tabaksteuer an. Über die Vermögenssteuer lasse er die Politik weiterstreiten.

Kapsch lobte Aigingers Ausführungen und kritisierte einmal mehr zu hohe Arbeitskosten. Durchgerechnet und indexiert hätten Arbeitnehmer seit 1995 trotz ordentlicher Lohnabschlüsse keinen Kaufkraftzuwachs verzeichnet. Auch das Bildungssystem im Pflichtschulwesen erfülle benötigte Anforderung nicht, obwohl es um 36 Prozent mehr koste als im OECD-Schnitt - wegen der Bürokratie. Und: "Die Kosten der Bürokratie Österreichs aller Gebietskörperschaften liegen um 30 Prozent über dem EU-Schnitt", so Kapsch.

Die IV werde am Donnerstag - dem Tag der Industrie - ein Konzept zur Steuerreform vorlegen, in dem "15 Mrd. Euro bewegt werden sollen". Dabei gehe es um Doppel- und Dreifach-Förderungen, man sei bereit einen Beitrag zu leisten, außer bei Forschungsförderungen. Bei allen anderen könnte man zehn Prozent streichen. Das 13. und 14. Gehalt könnten aufs Jahreseinkommen umgelegt werden.

Schelling plant eine Dialogreihe mit dem Titel "Finanz und Dialog". Kernthemen sollen Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik sein. Internationale Experten sollen helfen, neue Denkanstöße zu geben. Es gehe darum, ein Forum zu schaffen, das sich mit Problemlagen übers Tagesgeschäft hinaus beschäftigt. Die Veranstaltungen sollen auch neuen Zielgruppen zugänglich gemacht werden. Bis zum kommenden Frühjahr soll es sechs Veranstaltungen aus der Reihe geben - "die Serie soll auch Initialzündung für notwendige Reformen sein", sagte der von der ÖVP nominierte Finanzminister.

(Schluss) phs

WEB http://www.iv-net.at/

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