01.12.2013 19:39:58

Neue Westfälische (Bielefeld): Weihnachtsgeschäft Es stirbt ein Stück Kultur STEFAN SCHELP

Bielefeld (ots) - Na, alles gekriegt beim großen Weihnachtseinkauf am ersten Adventssamstag? Die Wunschzettel der Kinder abgehakt? Ordentlich Kleingeld gegeben für die Currywurst an der Bude? Die nötige Ruhe getankt bei Lichterglanz und Weihnachtstrubel? Na, prima. Dann doch am besten gleich nochmal, am nächsten Adventwochenende. Geld ausgeben, Freude schenken! Und jetzt stellen Sie sich vor, alles ist schwarz. Keine Lichter, keine bunt geschmückten Auslagen, keine Weihnachtsstimmung. Sondern schwarz verhängte Schaufenster. Die Kaufmannschaft in Kleve hat im Herbst zu diesem drastischen Mittel gegriffen, damit die Menschen sich bewusst machen, wie die Innenstädte ohne Einzelhandel aussähen. Ob die Kaufmannschaft so etwas auch im Weihnachtsgeschäft wagen würden, bleibt dahingestellt. An der Stoßrichtung ändert das aber gar nichts. Die Einzelhändel sehen ihre Felle schwimmen, weil immer mehr Geschäft ins Internet abwandert. Die Informationen holt sich der Kunde im Fachgeschäft, den Weihnachtsglanz nimmt er erfreut zur Kenntnis. Aber das Geld landet nicht beim traditionellen Einzelhandel, sondern beim Online-Anbieter. Niemand ist so vermessen zu glauben, dieser Trend ließe sich zurückdrehen. Auch die Einzelhändler selbst haben ja (inzwischen) erkannt, dass sie das Online-Feld nicht brach liegen lassen sollen. Das wird ihnen schließlich auf jeder Fachveranstaltung eingebläut. Und dennoch ist erschreckend, wie tief der Mentalitätswandel bereits geht. Als die Gewerkschaft Verdi in der vergangenen Woche die Auslieferungslager in Bad Hersfeld und in Leipzig bestreikt hat, da war die Reaktion in den Internet-Foren eben nicht geprägt von Solidarität mit den Streikenden, die nicht nach den Tarifen der Logistik-Branche, sondern den besseren des Einzelhandels bezahlt werden sollten. Da wurde gefordert, die Beschäftigten bis Ostern auszusperren oder sie gleich rauszuschmeißen. Da wurde angekündigt, man werde sich einen anderen Online-Dienstleister suchen. Nicht einer der Kritiker hat erklärt, er werde nun in die Stadt gehen und beim Fachhändler kaufen. Das ist bitter. Nicht nur für die Einzelhändler. Denn damit stirbt ein Stück Kultur. Als der Autor dieses Textes noch im Kindergartenalter war, da gehörte zur Adventszeit obligatorisch der Besuch vor dem Schaufenster des größten Einzelhändlers im Dorf. Dort drehte eine Spielzeugeisenbahn Runden durch eine weihnachtliche Landschaft, am Schaufenster drückten sich die Dötze die Nase platt. Mit den Kindern des Autors macht dieser Gang keinen Sinn mehr. Nicht, weil sie sich nicht für Spielzeugeisenbahnen interessieren. Sondern weil es den Einzelhändler nicht mehr gibt. Er hat Insolvenz angemeldet. ⋌stefan.schelp@ ⋌ihr-kommentar.de ⋌Bericht Titelseite

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