03.06.2018 21:37:42

Neue Westfälische (Bielefeld): Verdächtige wegen zu langer Verfahren freigelassen Das erschüttert unser Vertrauen Martin Fröhlich

Bielefeld (ots) - Genau 737.873 - das ist die Zahl der Menschen, die im Jahr 2016 in Deutschland von einem Gericht wegen einer Straftat oder eines Vergehens verurteilt wurden. Da wirkt die Zahl von 41 Tatverdächtigen, die wegen zu langer Strafverfahren aus der U-Haft entlassen werden mussten, mickrig. Selbst die 2017 erhöhte Zahl von 51 Fällen verblasst in der Gesamtdimension. Darf sie aber nicht! Es mag sein, dass in allen 51 Fällen plausible Gründe zu Verzögerungen geführt haben. Zu viele Daten, zu wenig Personal in den Staatsanwaltschaften, aufwendige Ermittlungen. Da wir ja alle nur Menschen sind, na, Sie wissen schon. Doch das Signal, das von den 51 freigelassenen Verdächtigen ausgeht, ist fatal. Es besagt nicht weniger, als dass der Rechtsstaat seiner Pflicht nicht nachgekommen ist. Noch dazu aus formellen Gründen. Was aus Sicht der Verdächtigen gerade der Rechtsstaatlichkeit entspricht - das Einhalten von Vorschriften seitens der Behörden -, erzeugt für die Allgemeinheit einen gegenteiligen Eindruck. Immer wieder gibt es die Kritik, dass unser Rechtssystem die Perspektive der Täter einnimmt, doch selten die der Opfer. Deshalb müssen die zur Verfügung stehenden Instrumente konsequent angewendet werden. Sonst wird das Vertrauen der Menschen in das Rechtssystem erschüttert. Sollte sich am Ende erweisen, dass wegen ausufernder digitaler Beweise die Fristen für eine U-Haft nicht einzuhalten sind, dann muss über eine Lösung des Problems diskutiert werden. Einfach hinnehmen dürfen wir es nicht. Auch wenn es nur 51 Fälle sind.

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