05.08.2014 20:40:58

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Deal beendet Ecclestone-Prozess Ungerecht, aber vernünftig Ralf Müller, München

Bielefeld (ots) - Ihren in letzter Zeit angekratzten Ruf hat die bayerische Justiz mit der Einstellung des Verfahrens gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone sicher nicht verbessert, aber dem Finanzminister eine Freude gemacht. Die begründete Vermutung bleibt, dass sich ein weniger vermögender Angeklagter einer Verurteilung wegen Bestechung in einem solchen Fall nicht hätte entziehen können. Es gilt also wieder mal die Devise: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Das ist die eine, unerfreuliche Seite des Ecclestone-Prozesses. Die andere ist eine Einnahme von 75 Millionen Euro für die bayerische Staatskasse, also für den Steuerzahler. Betrachtet man den Deal von einer ökonomischen Warte aus, dann ist eine Prozesserledigung in dieser Art vernünftig. Von einem verurteilten oder gar eingesperrten Ecclestone hätte der bayerische Steuerzahler außer moralischer Genugtuung nichts gehabt. Wahrscheinlicher wäre ohnehin eine Verurteilung Eccle-stones zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung plus Geldstrafe in einer weitaus niedrigeren Höhe als 100 Millionen US-Dollar gewesen. Das hätte Ecclestone seine Position als Formel-1-Boss gekostet, aber er hätte den Gerichtssaal mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls als freier, wenn auch vorbestrafter Mann verlassen können. Wenn man vorwiegend in Euro und Cent denkt, ist das jetzt gefundene Prozessende daher das weitaus vorteilhaftere für den Freistaat und seine Bürger. Wie das der Formel-1-Zirkus sieht, ist eine andere Sache. Der Gerechtigkeit ist mit der Verfahrenseinstellung nach Paragraph 153a des Strafgesetzbuches, die in den Rechtsfolgen einem Freispruch gleichkommt, freilich nicht Genüge getan worden. Der böse Verdacht der Klassenjustiz wurde eindrucksvoll bestätigt. Auf einen entsprechenden medialen Sturm der Entrüstung darf sich die Justiz in den nächsten Tagen und Wochen einstellen. Die Zeiten, in denen Richter und Staatsanwälte der öffentlichen Kritik entzogen waren, sind vorbei.

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