29.12.2014 19:42:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Friedrich/Merkel: Aufstand der Konservativen von Reinhard Zweigler
Ich komme wieder, hatte Hans-Peter Friedrich gesagt, als er vor knapp zehn Monaten im Zuge der Edathy-Affäre seinen Hut als Bundesminister nehmen musste. Für manche klang das wie eine Drohung des einstigen Innen- und späteren Landwirtschaftsministers. Er selbst mag das als trotzige Ankündigung eines politischen Comebacks gedacht haben. Denn Friedrich fühlte sich zutiefst ungerecht behandelt. Was auch zutraf. Der Oberfranke hatte in vorauseilender Loyalität zum künftigen Koalitionspartner SPD-Chef Sigmar Gabriel über Internas im Fall Edathy informiert, um Schaden von der künftigen Regierung abzuwenden. Die Schmach, als einziger seinen Kopf hinhalten zu müssen für einen SPD-Mann, der sich möglicherweise im Dunstkreis von Kinderpornografie bewegte, hat Friedrich nicht überwunden. Er fühlte sich offenbar von allen verlassen, von der SPD sowieso, aber auch von Merkel und Seehofer, die keinen Finger für den Minister rührten, der vom Innen- und damit Verfassungs- zum Agrarminister "degradiert" worden war. Dass Friedrich nun jedoch, kurz vor dem CSU-Treffen in Wildbad Kreuth, schlagzeilenträchtig gegen die Kanzlerin auskeilt, ist schon verwunderlich. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland hat schon vor Monaten unerwartete Wahlerfolge eingefahren und auch die "Wutbürger" der Pegida, denen die deutsche Flüchtlingspolitik nicht passt und die allen Ernstes die Islamisierung des Abendlandes fürchten, marschieren auch nicht erst seit Weihnachten durch Dresden. Und schließlich hat der Oberfranke zu allen politischen Projekten die Hand gehoben, die er jetzt Merkel ankreidet, von der doppelten Staatsbürgerschaft, der Frauenquote bis zum Mindestlohn. Doch wer hinter der Attacke Friedrichs gegen Merkels Mitte-Links-Schwenk ausschließlich persönliche Motive vermutet, springt zu kurz. Der Ex-Minister will offenbar einen Aufstand der Konservativen anführen, die in CDU und CSU kaum noch über Einfluss verfügen und in der Öffentlichkeit fast nicht mehr vorkommen. In die klaffende Lücke des National-Konservativen könnten die AfD und womöglich auch andere Gruppierungen stoßen. Die könnten der sieggewohnten Union das Leben äußerst schwer machen. Friedrich hofft offenbar darauf, dass die CSU wieder jenes konservativ-selbstbewusste Korrektiv der CDU werden kann, dass es einst unter Franz Josef Strauß war. Allerdings, die Zeiten haben sich gründlich geändert. Dass Merkel lediglich auf einem Strom von stimmungsabhängigen Meinungsumfragen mitschwimme, geht an der Sache vorbei. Die Kanzlerin nimmt Stimmungen in der Bevölkerung auf. Das ist wahr. Doch würde sie nicht pragmatisch auf Veränderungen reagieren, mitunter sogar blitzschnell, wäre die Union mit ihrer unumstrittenen Anführerin nicht auf der Höhe der Zeit, wäre sie nicht so erfolgreich. Ob Merkel ihre politischen Manöver allerdings auch ausreichend erklärt und damit auch ankommt, ist eine andere Frage. Auch ihr ständig wiederholter Hinweis, mit der SPD ginge es nicht anders, ist zu dürftig. Nach dem Aufbegehren von Hans-Peter Friedrich ist es nun an Horst Seehofer, sich an der konservativen Profilschärfung der Union zu beteiligen - oder aber sie im Ungefähren zu beerdigen. Dass sich die CSU-Spitzen reflexartig gegen Friedrich und für die große Kanzlerin aussprechen, legt letzteres nahe. Wer aktuell in Umfragen 40 Prozent oder sogar mehr bescheinigt bekommt, dem ist nicht nach tiefgründiger Strategiedebatte. AfD hin und Pegida her. Konservative Anmerkungen werden da eher als Nestbeschmutzung abgetan. Aber das hat Friedrich keineswegs gewollt.
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