22.09.2014 20:53:31

Mercks Befreiungsschlag im Pharma-Geschäft bleibt aus

   Von Heide Oberhauser-Aslan

   Es ist der größte Zukauf in der Firmengeschichte des Pharma- und Spezialchemiekonzerns Merck. Für umgerechnet gut 13 Milliarden Euro wollen die Darmstädter das US-Unternehmen Sigma-Aldrich schlucken, einen Anbieter von Forschungsmaterialien für Labore. Der Zukauf überrascht, denn Merck stärkt nicht etwa die größte Sparte Pharma über die Tochter Merck Serono, um die nach wie vor schwache Forschungspipeline aufzufrischen, sondern das Life-Science-Geschäft.

   Schon vor Monaten hatte Merck die Märkte auf eine größere Akquisition eingestimmt. Nach der erfolgreichen Bewältigung seines Konzernumbaus und dem Abbau der Verschuldung sei Merck bereit, ambitionierte Schritte zu tun, hatte Chef Karl-Ludwig Kley im Mai auf der Hauptversammlung angekündigt. In der Tat ist Merck nach Jahren der Restrukturierung mittlerweile ein kerngesundes Unternehmen, das sich auch Zukäufe leisten kann. Das Konzernergebnis hat sich 2013 auf 1,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

   Wer allerdings erwartet hatte, Merck greife jetzt endlich nach einem Pharmaunternehmen, um die magere Forschungspipeline aufzufrischen, der wurde enttäuscht. Schlechte Erfahrungen mit Zukäufen von Pharmaunternehmen, hohe Preise und unkalkulierbare Risiken haben die Darmstädter vorsichtig gemacht.

   Der letzte große Zukauf im Pharmageschäft war die Übernahme des schweizerischen Biotechkonzerns Serono 2007, den sich Merck seinerzeit 10,6 Milliarden Euro kosten ließ. Das war ein hoher Preis für eine Forschungspipeline, deren Produktkandidaten sich im Nachhinein als eine Ansammlung von Misserfolgen entpuppten.

   Erfolgreich war Merck dagegen bei seinen übrigen großen Zukäufen, die alle nicht im Pharmageschäft stattfanden. 2010 kauften der Konzern etwa für umgerechnet 5,3 Milliarden Euro den US-Laborausrüster Millipore und wurde damit zu einem wichtigen Zulieferer für die Life-Science-Industrie, das sind etwa biotechnische Pharmaunternehmen, die etwa Filter und Membrane von Millipore beziehen.

   Mit Sigma-Aldrich festigt Merck diese Position jetzt, ohne ein unkalkulierbares Risiko einzugehen. Der geplante Neuerwerb passt beispielsweise mit seinen Verbrauchsmaterialien für Forschungslabore perfekt zu Millipore. Hier kennt Merck sich aus und weiß wo die Stellschrauben sind, um Synergien zu heben. Das Unternehmen rechnet mit jährlichen Synergien von rund 260 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren nach Vollzug der Transaktion.

   In der Welt rangieren die Darmstädter heute schon auf Rang zwei im Life-Science-Geschäft nach dem US-Konzern Thermo Fisher Scientific - allerdings mit weitem Abstand. Die Amerikaner kamen 2013 auf Erlöse von gut 13 Milliarden Dollar. Das Marktpotenzial ist riesig. Den Markt für die Life-Science-Industrie in der Definition von Merck - also Laborausrüstung wie Reagenzien und Geräte für die Forschung - schätzen die Darmstädter auf 130 Milliarden Dollar.

   Auf Basis der Geschäftszahlen 2013 kommt Merck mit Sigma-Aldrich im Life-Science-Geschäft auf Erlöse von 4,7 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen (Ebitda) kann sich mit Sigma-Aldrich auf 1,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln.

   Sigma-Aldrichs Angebot umfasst mehr als 230.000 Produkte und Lösungen mit einem starken Fokus auf Produkte für Forschungslabors. Zu der vor allem in den USA stark verbesserten Marktposition gewinnt Merck eine hochinteressante eCommerce-Plattform und wird auf diesem Feld zur Nummer eins in dieser Industrie. Mehr als 70 Prozent der Produkte von Sigma-Aldrich sind über diese eCommerce-Plattform verfügbar.

   Gestärkt hat Merck in diesem Jahr auch das Chemiegeschäft: Für 2 Milliarden Euro kaufte der Konzern den Spezialisten für hochwertige Elektronikchemikalien AZ Electronic Materials und konnte damit sein Angebot mit Flüssigkristallen um neuen Technologien in angrenzenden Geschäftsfeldern erweitern.

   Die Pharmasparte muss dagegen weiter auf einen Milliardenzukauf warten. Im Pharmageschäft setzt Merck zumindest vorläufig eher auf organisches Wachstum, Partnerschaften und bestenfalls kleinere Zukäufe. Merck sieht sich auf gutem Weg zu einem erfolgreichen Biopharma-Unternehmen mittlerer Größe, wie es in der vergangenen Woche auf einem Kapitalmarkttag hieß. In den Jahren 2015 und 2016 will das Unternehmen zwei bis fünf klinische Studien der klinischen Phase III starten.

   Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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   September 22, 2014 14:23 ET (18:23 GMT)

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