08.06.2013 17:03:48
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Deutsche Wirtschaft warnt EU vor US-Verhältnissen bei Schadenersatzklagen
Auch der Industrieverband BDI warnte am Samstag vor einem Einfallstor für missbräuchliche Praktiken, wie sie im Rechtssystem der USA an der Tagesordnung seien. Die Geschädigten erhielten im Falle eines Erfolgs oder Vergleichs meist nur einen kleinen Teil der Summe, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Der größte Teil lande bei den klagenden Interessenverbänden oder Anwaltskanzleien: Die Grünen nannten die Warnungen Schwarzmalerei, die mit der Realität nichts zu tun hätten.
Die EU-Kommission hat den Angaben zufolge für Dienstag ein Gesetzespaket angekündigt, das eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten enthalten soll, Sammelklagen in unterschiedlichen Rechtsgebieten einzuführen. Sollten die EU-Staaten der Empfehlung nicht nachkommen, droht dem BDI zufolge die Kommission nach Ablauf von vier Jahren mit weiteren Maßnahmen. Die EU-Kommission schlage zwar die Einhaltung von Mindeststandards vor. Dies hält der BDI aber für fraglich. Laut dem Grünen-Experten Jerzy Montag wird die Kommission auch klarstellen, dass Sammelklagen nach amerikanischem Modell abgelehnt werden.
Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) besteht das Missbrauchsrisiko zum einen darin, dass spezialisierte Kanzleien mit einer potenziell sehr hohen Schadensersatzforderung Unternehmen zu einer schnellen außergerichtlichen Einigung drängten - ungeachtet der Rechtslage. Zum anderen würde die Aussicht auf Entschädigungen, die um ein Vielfaches höher lägen als bisher in Europa üblich, spezialisierte Kanzleien zu möglichst vielen profitablen Schadenersatzklagen verlocken. Wernicke: "Das ist das, was gegenwärtig in den USA geschieht - sogar nicht selten."
Grundsätzlich sind nach Europarecht Urteile in einem europäischen Mitgliedsstaat auch in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, erläuterte der DIHK-Jurist. Wenn also ein Mitgliedstaat sein Rechtssystem für derartige Sammelklagen öffnen würde, hätte dies Auswirkungen auch auf andere Staaten. Damit könnten etwa deutsche Geschädigte in einer Art Sammelklage gegen ein deutsches Unternehmen vor ein Gericht in Großbritannien, Bulgarien, Italien oder Frankreich ziehen, um nach US-Vorbild immensen Schadenersatz durchzusetzen.
Der er Jurist hob hervor, dass die EU, sobald sie derartigen kollektiven Rechtsschutz erlaube, danach keine Einflussmöglichkeit mehr auf das jeweilige nationale Prozessrecht habe. Sie selbst könne dann nicht mehr verhindern, "dass extreme Dinge, wie zum Beispiel Strafschadenersatz oder bestimmte Formen der Kostenregelung angewendet würden, die weder europäischer Tradition entsprechen noch fair sind".
Montag warf der Wirtschaft vor, einen "Popanz" aufzubauen, um dann genüsslich drauf zu dreschen. Es ist nicht geplant, enorme Schadenersatzforderungen oder gar einen Strafschadensersatz zuzulassen. Darüber bleibe es bei der Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei, so dass das Prozessrisiko den Wunsch nach überhöhten Forderungen dämpfen werde. Die Grünen wollen nächste Woche im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einführung von Gruppenklagen einbringen./rm/sl/DP/zb
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