09.01.2015 20:52:58

Allg. Zeitung Mainz: Frei / Kommentar zu Terrorismus und "Charlie Hebdo"

Mainz (ots) - Am Ende waren es 90000 Einsatzkräfte, die Frankreich aufbot, um die mutmaßlichen "Charlie Hebdo"-Attentäter und ihre möglichen Komplizen zu fassen. Wenn die Killer Krieg wollten, haben sie ihn also bekommen. Und nicht nur sie haben es mit ihrem Leben bezahlt: Seit Mittwoch sind wegen des feigen Anschlags auf alles, was freien Europäern - selbst denen, die an keinen Gott glauben - heilig sein muss, 20 Menschen gestorben. Aber dennoch dürfen Trauer und Wut uns nicht den Blick vernebeln. Ja, unsere Freiheit wird schon lange nicht mehr nur am Hindukusch oder in Kobane verteidigt. Und trotzdem sind unsere Straßen, Plätze und Redaktionen keine Kampfzonen. Wer jetzt mit Maximalforderungen nach einer Hochrüstung des Staates überzieht, macht mit noch frischem Entsetzen falsche Politik: Werte aufgeben, um eine Sicherheit zu gewinnen, die immer nur eine Scheinsicherheit sein kann - wir haben leider in den USA gesehen, wohin das führen kann.

Auf der anderen Seite dürfen wir keinesfalls wehrlos werden. Aber wogegen müssen wir uns wehren? Natürlich gegen den Terror. Wenn es sein muss, mit allem, was die Sicherheitskräfte aufbieten können. Aber davor muss immer erst etwas anderes stehen. Wir müssen uns wehren gegen die, die mit dümmlichsten Parolen unser Wertegerüst schwächen. Dazu zählen neben Terroristen alle Spektren des Extremen: die nach Stimmen gierenden Rechten - auch und gerade die, die bei Pegida mittun - wie auch die Linken, die unfassbar zynisch verbreiten, Europa ernte in Paris, was es in Nahost gesät habe. Vor wem fliehen eigentlich Abertausende nach Europa? Vor Karikaturisten? Amerikanischen Flugzeugen? Wohl kaum. Sie laufen weg vor gottlosen Schlächtern, die den Islam zur Tötungsideologie pervertieren. Diese Fanatiker haben den Krieg nach Frankreich getragen. Ihnen und ihren Anhängern müssen wir ebenso wie linken und rechten Rattenfängern entgegen treten. Weil sie alle nicht begreifen oder begreifen wollen, was Europa seit der Aufklärung ausmacht: die Erkenntnis, dass unsere Freiheit eine Freiheit des Geistes ist. Die Macher von "Charlie Hebdo" waren Fackelträger dieser Erkenntnis. Im Gedenken an sie und die Polizisten, die ihr Leben ließen, sagen wir: Wir sind frei. Unsere Kunst darf alles. Unsere Wahl ist das Wort und erst dann das Schwert. Wer diese Werte zu den seinen machen will, der ist willkommen. Und wer diese Werte hasst und bekriegt, wird nur dann eine Chance haben, wenn wir selbst diese Werte vergessen und verraten.

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Florian Giezewski Regionalmanager Telefon: 06131/485817 desk-zentral@vrm.de

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