18.04.2014 20:39:01

Allg. Zeitung Mainz: Das Opfer - Kommentar zu Ostern

Mainz (ots) - Viele Eltern haben diesen einen Albtraum. Unser Kind stirbt, stirbt vor uns. Wir überleben unser Kind. Etwas Furchtbareres kann man sich nicht vorstellen. Am Karfreitag haben wir obendrein noch eines Menschen gedacht, der von seinem Vater als Opfer hergegeben worden ist. Nach menschlichem Ermessen nicht möglich. Übermenschlich also. Kaum vorstellbar; es sei denn, dieser Tod ergibt einen Sinn und wird mit einer Art Wiedergeburt oder Wiederauferstehung für unwirksam erklärt. Solche Geschichten aus der christlichen Lehre sind selbst für Christen nicht immer nachvollziehbar. Dabei steckt dahinter etwas typisch Menschliches. Wir sind soziale Wesen, also aufeinander angewiesen. Je enger es wird, je schwieriger sich eine Lage gestaltet, umso mehr sind wir darauf angewiesen, dass sich andere opfern. Das reicht von Akten der Solidarität und des Verzichts bis hin zu Märtyrertoden. Letztlich bedeutet es, dass auch wir Menschen Teil einer Umgebung sind, die nur fortbestehen kann, wenn es diesen steten Wechsel aus Vergehen und Werden gibt. Ostern ist im Lauf der Jahrtausende zu dem Fest herangewachsen, bei dem wir innerhalb weniger Tage sozusagen im Schnelldurchlauf erfahren, was dieses Wechselbad der Gefühle in einem anrichten kann. Eben noch trauert die Gemeinde um einen Verstorbenen, der wenige Stunden später durch seinen Tod einen Neuanfang angestoßen hat. Die drastische Form, in der in der Bibel vom Sohnesopfer erzählt wird, lädt heute viele dazu ein, diese Geschichte als Horrormärchen abzutun. Dabei kommen wir gar nicht umhin, selbst Opfer zu bringen. Das Fasten, das an diesem Wochenende ein Ende findet, gehört dazu. Gemeint ist der bewusste Verzicht auf liebe Gewohnheiten. Vermutlich ist einer Mehrheit der Vereinigung "Sieben Wochen ohne..." gar nicht mehr bewusst, dass es nicht nur um eine neue Variante des "Friss die Hälfte" ging, damit die Badehose oder der Bikini wieder passen, sondern um eine besondere Übung. Sich in vielerlei Beziehung zurücknehmen bedeutet nämlich, bereit zu sein, einem anderen etwas überlassen zu können, Platz zu machen, wenn es darauf ankommt. In Wirklichkeit ist es also eine Übung für den Ernstfall. Wie lange wird es gutgehen, dass ein Teil der Menschheit so gut wie alles hat, und der Rest zusieht? Wie lange geben uns noch haushohe Zäune, Stacheldrahtverhaue und Internierungslager am Meer Bedenkzeit? Dieses Fest soll kein Anlass sein zum Trübsal blasen, aber es sollte dabei wenigstens einen Moment Zeit geben, sich über das Soziale im Menschen und seine Opferbereitschaft Gedanken zu machen.

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Florian Giezewski Regionalmanager Telefon: 06131/485817 desk-zentral@vrm.de

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